DI Hans-Peter Weiss | Frühjahr 2015
„Das Flair des 19. Jahrhunderts wird zunehmend wieder geschätzt.“
Die Bundesimmobiliengesellschaft BIG ist Österreichs wichtigster Immobilienbesitzer. Geschäftsführer DI Hans-Peter Weiss muss ein Portfolio im Gesamtwert von mehr als 9 Milliarden Euro verwalten und bestmöglich bewirtschaften. Als eine seiner zentralen Aufgaben sieht Weiss, die historische Substanz der Altbauten mit Verstand und Kreativität an die besonderen Anforderungen seiner Mieter anzupassen.
Die Fragen für das Interview hat Markus Steinböck zusammengestellt.
MARKUS STEINBÖCK (OTTO IMMOBILIEN): Wie nachzulesen, hält der BIG-Konzern derzeit mehr als 7 Millionen Quadratmeter an Gebäuden und zusätzlich dreimal so viel an Grundstücksflächen. Der Verkehrswert wird mit rund 11 Milliarden Euro angegeben. Welche Rolle spielt in dieser Aufstellung das klassische Wiener Zinshaus?
DI Hans-Peter Weiss: Das klassische Wiener Zinshaus spielt im Portfolio des BIG-Konzerns, statistisch gesehen, eine eher untergeordnete Rolle. Natürlich haben aber solche Objekte gerade in der ARE Austrian Real Estate einen hohen Identifikationswert. Denn wir wollen mit diesem Unternehmen mehr private Mieter gewinnen und gleichzeitig den Anteil der Wohnungen am Portfolio heben. Zinshäuser zu entwickeln oder zu erwerben, ist ein guter Weg, um beide Ziele zu forcieren.
Behörden, Gerichte, Schulen etc. werden aus den Gründerzeitbauten ab- und in Neubauten umgesiedelt. Ist das wirklich sinnvoll?
Die Sinnhaftigkeit wird immer im Einzelfall zu beurteilen sein. Arbeitsabläufe und Prozesse haben sich – vor allem in den beiden vergangenen Jahrzehnten – radikal geändert. Die Strukturen von Gebäuden aus dem 19. Jahrhundert konnten da nicht immer mithalten und der Aufwand, sie entsprechend zu adaptieren, erschien vielen nur bedingt lohnenswert. Aber ich glaube, die Stimmung hat gedreht. Sowohl Flair als auch der Komfort, den ein solches Haus bieten kann, werden zunehmend wieder geschätzt. Es gilt einfach, historische Substanz mit Verstand, Kreativität und Gefühl in die Zukunft zu führen, wie wir das beispielsweise in der Wollzeile gemacht haben. Dort haben wir moderne Büros in einem ehemaligen Finanzgebäude geschaffen. Es müssen also nicht immer nur Wohnungen sein.
Diese Behörden, Gerichte und Schulen waren wichtige Impulsgeber für Straßenabschnitte und dort angesiedelte Geschäfte. Innerstädtisch sind daraus häufig Luxuswohnungen geworden, die kaum oder wenig Frequenz bringen. Wie sehen Sie diese Problematik?
Städte verändern sich stetig. Es findet ja nur bedingt Abwanderung, sondern eher Verlagerung statt. Es ist ein ständiger Prozess und Aufgabe der Stadtverwaltung, hier für eine gelungene Durchmischung zu sorgen – wobei meiner Einschätzung nach Wien oder beispielsweise Graz im internationalen Vergleich sehr positive Beispiele sind.

Keine Frage, dass unsere Branche von den Umwandlungen der Ämter in Wohnungen profitiert hat. Aber hätte da die BIG nicht die Aufgabe, uns Immobilienleute einzubremsen?
Die BIG inklusive all ihrer Tochtergesellschaften hat eine gesetzlich klar definierte Aufgabe, nämlich ihr Portfolio bestmöglich und wertsteigernd zu bewirtschaften. Selbstverständlich ist unser oberstes Ziel, unsere Mieter zufriedenzustellen und darüber hinaus, neue Mieter aus dem privaten Bereich zu gewinnen. Ich glaube, damit werden wir unserem eigenen Anspruch gerecht.
Zur Klärung: Was sind die Aufgaben der ARE, was sind Angelegenheiten der BIG und wie hängen die beiden zusammen? Es gibt ja auch personelle Überschneidungen. Sie sind da wie dort Geschäftsführer?
Die ARE steht mit ihren Immobilien, überwiegend Büros, im direkten Wettbewerb mit vielen privaten Unternehmen. Um rasch und flexibel auf Veränderungen reagieren zu können, wurde eine eigene Gesellschaft mit den entsprechend schlanken Strukturen und Abläufen gegründet. Das BIG-Portfolio besteht hauptsächlich aus Schulen oder Universitäten und Immobilien mit einem besonderen Sicherheitsaspekt wie Justizanstalten. Die Geschäftsführung ist ident, die beiden Unternehmen sind aber unterschiedlich ausgerichtet.

Und wo würden Sie die Zinshäuser einordnen?
Zinshäuser sind in erster Linie ein Thema der ARE. Derzeit entwickeln wir einige Objekte innerhalb des Gürtels, die wir danach vermieten.
Wir veranstalten seit zwei Jahren Zinshaus-Auktionen. Die BIG führt regelmäßig Bieterverfahren durch. Warum und mit welchen Erfolgen?
Wir machen das schon sehr lange und, wie wir meinen, auch erfolgreich. Das Bieterverfahren hat sich für uns als der beste Weg herausgestellt, um Immobilien zu verwerten. Als Unternehmen im Eigentum der Republik Österreich ist die allgemeine Aufmerksamkeit bei Verkäufen besonders hoch. Nachvollziehbarkeit und Transparenz waren wesentliche Kriterien bei der Wahl der Methode.
Steht bei Ihnen die Transparenz oder der erzielte Preis im Vordergrund?
Die Gleichbehandlung aller Bieter, damit einhergehend die Transparenz und der maximale Verkaufserlös sind gleichrangige Grundlagen dieses Verfahrens.
Welche Immobilien eignen sich für eine Auktion, welche eher nicht?
Diese Frage stellt sich nur bedingt für uns. Wir schreiben jeden Verkauf öffentlich aus. Unsere Erfahrungen sind höchst unterschiedlich. Wir haben schon Objekte wie beispielsweise ehemalige Zollhäuser ausgeschrieben, die im Vorfeld als durchaus problematisch eingeschätzt wurden und sich dann als Renner herausgestellt haben. Natürlich gab es aber auch gegenteilige Fälle.
Hatten Sie schon Bieter, die sich in der Begeisterung übernommen haben und dann nicht zahlen konnten? Was passiert dann mit denen?
Wir haben in unseren Verfahren klare Regeln. JedesAngebot ist verbindlich. Wir fordern auch Bestätigungender Bonität. Wenn jemand den Zuschlag erhält und dann nicht zahlen kann, muss er Strafe zahlen.
Wie sehen Sie allgemein die Entwicklungen auf dem Wiener Immobilienmarkt? Werden Gewerbe wieder stärker und Wohnungen wieder billiger?
Ich glaube, Nachfrage und daher auch Preise für Wohnungen bleiben entweder konstant oder steigen moderat. Büro und Gewerbe sind leicht im Aufwind, aber immer noch weit von einem Selbstläufer entfernt. Hier muss das angebotene Produkt zu hundert Prozent stimmig sein.
Hat die BIG eine Meinung zur aktuellen MRG-Diskussion?
Die BIG hat dazu selbstverständlich eine Meinung. Aber wir beteiligen uns nicht an der öffentlichen Diskussion.
Und was ist Ihre persönliche Meinung?
Meine persönliche Meinung ist untrennbar mit meiner Funktion verbunden. Aber ich glaube, die Komplexität des Gesetzes ist kein Geheimnis. Ein bisschen einfacher würde nicht schaden.

Zur Person
DI Hans-Peter Weiss ist seit 2011 Geschäftsführer der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und seit 2012 auch Geschäftsführer der ausgelagerten ARE Austrian Real Estate. Zuvor war Weiss Direktor bei den land- und forstwirtschaftlichen Esterházy-Betrieben. Die BIG wurde im Jahr 1992 als Verwalter der Immobilien der Republik Österreich gegründet. Im Jahr 2000 wurden rund 5.000 Häuser und Grundstücke im Gesamtwert von 2,4 Milliarden Euro von der Republik an die BIG verkauft − mit sehr unterschiedlichem Bestand: von Wohnungen, Schlössern, Kirchen bis hin zu Hochständen und Bergwerksstollen. Viele dieser Objekte wurden mit öffentlichen Bieterverfahren verkauft. Heute konzentriert sich die BIG auf die Segmente Schulen, Universitäten sowie Büro- und Spezialimmobilien. Mit der Gründung der ARE als hundertprozentiger Tochtergesellschaft soll eine substanzielle Erweiterung des Geschäftsmodells durch Kauf und Verkauf von Immobilien erreicht werden.
