Dr. Gerhard Cech | Herbst 2013
Die für das kommende Jahr fix eingeplante Baurechtsnovelle bringt spürbare Erleichterungen für den Ausbau von Gründerzeithäusern. In Hinkunft bekommt jedes Haus aber auch ein „Prüfpickerl“.
Der oberste Baupolizist, Dr. Gerhard Cech, Leiter der MA 37, im Interview.
OTTO IMMOBILIEN: Was gefällt dem Chef der MA 37 besser? Ein Haus aus der Gründerzeit oder ein stabiler Neubau aus Beton?
DR. GERHARD CECH: Das Stadtbild ist uns ein Anliegen und wenn man Gründerzeithäuser instand hält, dann sind sie natürlich absolut gebrauchstauglich, ein wichtiger Teil unseres Kulturgutes und unserer Identität.
Zum Erhalten gehört aus wirtschaftlicher Sicht auch das Schaffen von zusätzlicher Nutzfläche unter dem Dach. Das war zuletzt nicht immer einfach?
Ich glaube, es war ein Lernprozess. Erdbebensicherheit ist ein Thema und der Grundsatz, dass durch einen Dachgeschoßausbau die bestehende Erdbebensicherheit nicht reduziert werden darf, hat sich durchgesetzt. Dieser Grundsatz hat durch die OIB Richtlinie 1 eine allgemein anerkannte Form gefunden an der jetzt nicht mehr gerüttelt wird.
Sie arbeiten an einer tiefgreifenden Novelle zur Bauord-nung. Was kommt da auf uns zu?
Die Novelle ist in Begutachtung, es kann sich daher noch einiges dran ändern, aber ein neues Thema ist das sogenannte Bauwerksbuch. Im Bauwerksbuch werden von einem / r Ziviltechniker / in Fristen für eine regelmäßige Überprüfung von Neu-, Zu- und Umbauten des Hauses festgelegt. Das ist nicht einfach, weil es ja stark von den Bauweisen und Baustoffen abhängt wann eine solche Überprüfung notwendig wird.
Ein Serviceheft für Häuser?
So ähnlich, vom Gedanken her ist es eher ein Pickerl für das Gebäude, wo dann eben der Hersteller oder die einsprechende Fachfirma in erforderlichen Intervallen prüft. Bei der Fertigstellungsanzeige bestätigt der / die Ziviltechniker / in jedenfalls die bauordnungsgemäße Aus- führung und im Zuge dieser Feststellung ist angedacht, dass diese / r Ziviltechniker / in auch bestimmt, in welchen zeitlichen Abständen dieses Gebäude überprüft werden muss. Da gibt’s vielleicht Bauteile die sensibler sind, da gibt es spezielle Aufhängungen von Glaselementen usw. Die müssen öfters angesehen werden. Andere Teile sind weniger problematisch, die werden erst später kontrolliert.
Nur für Neu-, Zu- und Umbauten? Nicht für den Bestand?
Uns ist bewusst, dass das auch für den Gebäudebestand eine wichtige Sache wäre und längerfristig wird man auch darüber nachdenken. Wir wollen aber jetzt zuerst Erfahrungen sammeln. Bei Neubauten ist es einfacher, weil man genau weiß, was eingebaut worden ist. Dachgeschossausbauten gehören aber selbstverständlich als Zubauten dazu.
Die Novelle macht den Dachausbau aber insgesamt einfacher?
Es gibt Erleichterungen, wo wir in der Praxis gesehen haben, dass sie notwendig sind. Das sind zum Beispiel die Aufzugszubauten, wo es jetzt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in der gärtnerisch zu gestaltenden Fläche nur mit Ausnahmebewilligung möglich ist. Das wird die Novelle bereinigen. Und es soll auch generell eine Möglichkeit geben, Dachgeschossausbauten, also konkret Aufklappungen auf 45 Grad, zuzulassen. Unabhängig von den Anforderungen des Flächenwidmungsplanes. Derzeit geht das ja nur auf einer bebaubaren Fläche. Wie weit man da jetzt geht, ist zwar noch in Diskussion, aber prinzipiell ist es nicht einzusehen, warum man bei einem Gebäude, das konsensmäßig über eine Baufluchtlinie oder eine Baulinie hinausragt, nicht mindestens bis zu 45 Grad anstellen kann. Ob das beispielsweise auch in Schutzzonen möglich sein wird, müssen wir uns noch ansehen.
Die Novelle soll auch mehr Balkone zulassen?
Es ist eine sehr umfassende Novelle. Balkone sind ja grundsätzlich erwünscht und hier will man etwas lockerer und liberaler werden als bisher. Aber auch da gibt es noch Diskussionen. Ein Ziel ist, über die Baulinie hinauszugehen, jedoch mit Einschränkungen. Bei einer besonders schmalen Gasse wird man nicht auf beiden Seiten noch Balkone reinhängen können. Da muss man Mittelwege finden, aber von der Tendenz her wird es liberaler.
Wie würden sie generell den Bauzustand der Wiener Zinshäuser einschätzen?
Natürlich erreichen Gründerzeithäuser nicht den Erdbebensicherheitsstandard eines Neubaus aus Stahlbeton. Was die diversen Versuche gezeigt haben, sind sie aber auch nicht so schlecht, wie manchmal behauptet. Und es hat in der Vergangenheit ja auch verhältnismäßig starke Erdbeben gegeben, zum Beispiel das im Jahr 1972, die von Gründerzeithäuser großteils problemlos überstanden worden sind. Für uns sind das Referenzbeben, woraus wir ableiten, dass man solchen Häusern durchaus auch etwas zutrauen kann.
Zur Person
Dr. Gerhard Cech leitet seit dem Jahr 2005 die MA 37. Mit mehr als 300 Mitarbeitern ist die Wiener Baupolizei die größte Behördendienststelle Österreichs. Pro Jahr beschäftigt man sich hier mit rund 15.000 Baubewilligungen, vom Hochhaus bis zur Tankstelle, vom Kleingartenhaus bis zur Plakatwand.
