Günter Kerbler | Herbst 2014
„Das waren wirklich verrückte Zeiten“
Günter Kerbler zählt zu den schillerndsten Persönlichkeiten, die der Wiener Zinshausmarkt in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Wer gedacht hat, dass der 59 Jährige nach seinem Abgang von der Conwert kleinere Brötchen backen wird, hat sich getäuscht. Im Gespräch mit Dr. Eugen Otto erklärt er, warum er weiter an den Wiener Zinshausmarkt glaubt.
DR. EUGEN OTTO: Du gehörst zu denjenigen, die derzeit in Wien Zinshäuser kaufen. Und du kaufst nicht gerade wenig. Nehmen wir nur das CITIM-Paket mit 18 Häusern und einem Gesamtwert von nahezu 100 Millionen Euro. Es gibt aber andere, die nicht kaufen, weil sie meinen, dass die Preise schon zu hoch sind. Wer hat Recht?
GÜNTER KERBLER: Na ja, ich hoffe ich. Schau, ich glaub zwar nicht, dass man sich aus dem reinen Mieterertrag noch tolle Renditen erwirtschaften kann, das geht sich nicht mehr aus, so realistisch muss man sein. Aber mein Geschäft ist die Parifizierung. Wenn man genug Freifläche hat, genug Freiflächen zustande bringt oder Mieter findet die vielleicht auch selbst kaufen wollen, dann kann man sich mit dem Abverkauf der Wohnungen doch einiges zurückholen.
Was heißt das in Zahlen ausgedrückt?
Für ein Haus mit 1.000 Quadratmeter Nutzfläche zahle ich heute zwei Millionen Euro. Vielleicht kann ich davon die Hälfte der Wohnungen nach Renovierungen um 3.700 bis 4.000 Euro pro Quadratmeter verkaufen und dann habe ich noch den Dachboden zum Ausbauen. Am Ende ist der Kaufpreis wieder zurückverdient und die zweite Hälfte des Hauses bleibt dir theoretisch noch übrig. Theoretisch deshalb, weil man ja auch die Steuer nicht vergessen darf. Aber diese Rechnung funktioniert nur bei Standardhäusern, wo die Wohnungskäufer sehen können, dass die Qualität so ist, dass sie noch 200 oder 300 Jahre länger stehen werden. Vorstadthütten, die für maximal 100 Jahre ausgelegt waren, mittlerweile aber schon 150 Jahre in der Landschaft herum stehen, sind nicht mein Thema.
Und die Häuser müssen in Wien stehen?
Ja unbedingt! Warum ist Wien so sensationell? Wir haben ganz lange diese Mauer gehabt, die jeden Zuzug aus dem Osten - bis auf wenige Sonderfälle - praktisch verhindert hat. Jetzt ist die Mauer endlich weg und da gibt es zig Millionen Menschen, für die theoretisch Wien einmal die Hauptstadt war. Die haben einen Bezug, die haben oft auch familiäre Bindungen in diese Stadt und die haben heute die Chance, hierher zu kommen. Aus den Medien, von der Regierung und vom Bürgermeister abwärts hören wir, dass wir einen Zuzug von 20.000 Leuten im Jahr haben. Also, dass diese Stadt Wohnungen braucht und dass Wohnungen in dieser Stadt ein sicheres Investment sind, da bin ich mir sehr, sehr sicher. Und ich glaube auch, dass in dieser Stadt die Preise weiter steigen werden, weil es genug Leute gibt, die sich diese Stadt mit dieser Kultur leisten wollen. Das gilt übrigens auch für die Mietwohnungen, wo es mir ein Rätsel ist, wie lange die Politik das noch mit dem Mietrecht unter einem künstlichen Deckel halten will.
Zurück zum Zinshaus-CITIM-Paket. Das sind aber keine Häuser mit 50 Prozent Leerstand, wie von dir zum Wohnungsabverkauf eigentlich gewünscht?
Die CITIM-Häuser sind für mich auch aus anderen Gründen interessant gewesen. Sie sind gut verwaltet und gut gemanagt. Es gibt einige Projekte dabei, Planungen für Dachbodenausbauten beispielsweise, die für unsere Parifizierung sehr wohl geeignet sind. Und dann sind Häuser dabei, die vielleicht nicht die tollsten Lagen sind, die aber einfach gut rentieren. Am Währinger Gürtel, am Hernalser Gürtel oder auch am Praterstern. Das sind Fünfprozenter die wirtschaftlich super sind. Was soll da sein? Die Finanzierung ist dicht gemacht, die lass ich einfach laufen. Vielleicht werden wir das eine oder andere Haus selektiv verkaufen. Aber eines ist mir schon klar: Der Traum vom Heute-Einkaufen und Morgen-ums-Doppelte-Verkaufen hat sich erledigt. Mittlerweile artet auch das Immobiliengeschäft in Arbeit aus.

Du warst bekannt dafür, dass du häufig nicht nur in Immobilien sondern auch in Medien investiert hast. Was hat Dich an dieser Branche gereizt?
(Lacht). Genau weiß ich das nicht mehr. Geld verdient habe ich damit jedenfalls keines. Eher im Gegenteil. Beim Erb Verlag war ich wenigstens so schlau, dass ich mit dem Verlag auch ein Haus mitgekauft habe. Beim Falter habe ich in einer schwierigen Zeit mitgeholfen. Mittlerweile verdienen die wieder Geld und ich finde, dass der Falter ein Medium ist, das gar nicht so schlecht für Wien ist. Und bei der Arbeiterzeitung war es die Idee von einer Symbiose des Kapitalismus mit dem Sozialismus. Aber wenn du mich heute fragst, dann war es eine rein emotionale Entscheidung und weil mir alle davon abgeraten haben, habe ich mir gedacht – ja dann erst recht!
Bis du noch beteiligt an irgendwelchen Medien?
Nein. Wenn dann kaufe ich Tagesausgaben und keine Verlage mehr. Immer wieder wird mir das eine oder andere Projekt angeboten – aber danke nein.
Dein beruflicher Werdegang war…
… Volksschule, Hauptschule, Handelsakademie, ÖCI, die Bank für Sie, dann Bundesheer und dann bei der Wiener Städtischen Versicherungsvertreter – dort war ich immerhin 13 oder 15 Jahre und eigentlich ziemlich erfolgreich. Nach dem Motto: Ist der Handel noch so klein, bringt er doch mehr als Arbeit ein.
… und dann Zinshäuser.
Ich bin 1984/1985 aufgesprungen, nach der Einführung des EVB*. Da hat es Häuser gegeben mit Mieten von einem Schilling am Quadratmeter. Mit dem EVB hat man dann selbst in der schlechtesten Kategorie plötzlich 2,50 Schilling, also das Zweieinhalbfache bekommen. Eigenkapital habe ich zwar wenig gehabt, aber die Unterstützung der Banken. Und weil auch andere die neuen Möglichkeiten erkannt haben, habe ich auch wieder schnell verkaufen können. Manchmal innerhalb von Wochen ums Doppelte, was mich ehrlich gestanden auch ziemlich durcheinander gebracht hat, weil man mit so einem überraschenden Erfolg erst lernen muss umzugehen. Das schlechte Gewissen hat sich dann aber gelegt, wie ich mitbekommen habe, dass meine Käufer anschließend die Häuser noch einmal ums Doppelte verkauft haben. Das war wirklich eine verrückte Zeit.
Rückblickend betrachtet: Die Conwert, die Börse, die Roadshows für die Investoren, der ganze Aufwand - hat dir das getaugt?
Ja sicher. Auch deshalb, weil der Hannes Kowar und ich ein kongeniales Team waren. Er hat sich bei mir nicht reingemischt und ich mich nicht bei ihm. Dazu muss man wissen, dass er, bevor er zu mir gekommen ist, bei der Bank Austria schon eine relativ hohe Position innegehabt hat. Hannes hat gewusst was mit dem Börsegang auf uns zukommen wird und hat das alles super abgedeckt. Und das nicht nur weil er das weitaus bessere Fachenglisch konnte. Ich behaupte, die Conwert lebt heute noch ganz gut von dem was wir damals eingekauft haben.
Das klingt fast wehmütig…
Die Conwert ist irgendwie mein Kind. Auch wenn es nicht mehr bei mir ist und nicht das macht was ich mir wünschen würde, es bleibt trotzdem mein Kind.
Wie geht’s mit der Kerbler-Holding weiter?
Eine Standardantwort von mir lautet: Ich bin im 60. Lebensjahr und bevor ich mir ein großes Projekt mit einer Perspektive von sieben oder acht Jahren anfange, lass ich es lieber. Ein bissl sammeln, handeln, aber runter vom Gas.
Du hast bei unserer ersten Zinshaus-Auktion gleich doppelt zugeschlagen? Zufrieden mit dem Ergebnis?
Selbstverständlich. Die Auktion halte ich grundsätzlich für eine gescheite Sache. Wahrscheinlich haben sich nachher nicht wenige geärgert, dass sie nicht auch mitgemacht haben. Ein Haus habe ich mittlerweile wieder verkauft, das andere habe ich behalten und werde ich selbst entwickeln, sprich in Wohnungseigentum umwandeln.
*) Mit dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes (MRG) 1982 hatten Vermieter die Möglichkeit Mietzinse, die noch auf Basis des Friedenszinses vereinbart worden waren, über den Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB) anzuheben, um damit notwendige Sanierungsmaßnahmen finanzieren zu können. Damit wurden de facto die sogenannten Friedenszinse aufgehoben.

Zur Person
Günter Kerbler wurde 1955 in Horn in Niederösterreich geboren. Als erfolgreicher Versicherungsvertreter investierte er zuerst in Eigentumswohnungen, bis er Mitte der 80er-Jahre sein erstes Zinshaus erwarb. Bekannt wurde Kerbler durch seine umfassenden Zinshaussanierungen im Spittelberg-Viertel des Siebten Bezirks in Wien. Im Jahr 2002 brachte Kerbler mit seinem Geschäftspartner Hannes Kowar die gemeinsame Immobilienfirma Conwert an die Wiener Börse. 2010 legte er seine Funktionen dort zurück. Heute ist Kerbler Aufsichtsrat in der Vienna Estate Immobilien AG und Geschäftsführer seiner Kerbler-Holding.
