Unterschutzstellungspraxis in Österreich
Seit im Zuge der Bereinigung des §2 des Denkmalschutzgesetzes eine Gesamtrevision des österreichischen Denkmalbestandes durchgeführt wurde, gibt es nun eine hinreichend genaue Übersicht über den Denkmalbestand, der es nun erlaubt bundesländerweise Unterschutzstellungsprogramme aufzustellen. So werden etwa in manchen Ländern Schwerpunkte bei dem bäuerliche Erbe gesetzt, in anderen systematisch noch nicht geschützte Schlossbauten unter Schutz gestellt, oder aber auch herausragende Objekte der Nachkriegsmoderne. Die Wiener Innenstadt stellt dabei einen besonderen Sonderfall dar.
Beitrag von Herbst 2014
ZUR GESCHICHTE DES STAATLICHEN DENKMALSCHUTZES
Als man in Österreich um 1900 ernsthaft über einen gesetzliche Regelung für den Denkmalschutz zu diskutieren begann, gab es namhafte Protagonisten, die einen staatlichen Denkmalschutz für private Denkmale für unzumutbar hielten. So meinte etwa der spätere „Generalkonservator“ Alois Riegl, dass das „Leid über die Einschränkung der Dispositionsfähigkeit des Einzelnen“ (noch) nicht aufgewogen werde durch die Popularität des Denkmalgedankens in der Bevölkerung. Riegl, der eine derartige Entwicklung zu einem späteren Zeitpunkt nicht ganz ausschloss, plädierte allerdings für einen strikten Denkmalschutz für alle Denkmäler im öffentlichen Besitz, die älter als 60 Jahre wären. Der Staat und die öffentlichen Institutionen sollten bei diesem wichtigen Anliegen vorangehen.
Sein deutscher Kollege, der bedeutende Kunsthistoriker Georg Dehio war allerdings schon damals anderer Meinung. In seiner berühmten „Kaiserrede“ von 1905 sprach er von der Doppelnatur der Denkmale, die keine rein körperlichen materiellen Objekte seien, sondern eine geistige Dimension hätten und dass „das Interesse, das die Gesamtheit an ihnen hat, […] ganz unermesslich das Interesse des Individuums“ überwiege. Der sonst zweifellos eher konservativ eingestellte Dehio meinte daher auch folgerichtig, dass dieser Gedanke einer „sozialistischen Tendenz“ entspräche.
Während der Monarchie sollte sich diese Vorstellung vom Primat des Gemeinwohls vor dem Schutz des Eigentums nicht durchsetzen. Obwohl im Reichsrat einige einschlägige Anträge eingebracht wurden, waren Kirche und Grundbesitzer stark genug, eine entsprechende Gesetzgebung zu verhindern. Als dann die junge Republik, die sich in der Not der Nachkriegszeit als „Kulturnation“ neu erfinden wollte, im Jahr 1923 ein Denkmalschutzgesetz beschloss (und somit später als in vielen anderen europäischen Staaten), hat man in gewissen Sinn auf die Ideen der Zeit um 1900 zurückgegriffen: Vorrangig sollten Denkmäler geschützt werden, die sich im Eigentum der Religionsgesellschaften und der öffentlichen Hand befanden. Diese wurden sofort und pauschal durch den §2 des Gesetzes „Kraft gesetzlicher Vermutung“ unter Denkmalschutz gestellt.
Für den großen Bereich der privaten Denkmäler hatte man die Latte höher gelegt: Die Behörde musste dem Denkmaleigentümer in einem nach dem AVG zu führenden Verfahren, den schlüssigen Beweis erbringen, dass eine entsprechende Bedeutung vorliege und diese so hoch sei, dass „eine Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen sei“. Dieser Behauptung konnte der Eigentümer durch entsprechende Gegengutachten widersprechen und durch eine Berufung an die nächste Instanz bekämpfen.
Trotz diverser Änderungen der gesetzlichen Bestimmungen ist diese Trennung des Denkmalbestandes im Prinzip immer noch aufrecht. Bei den öffentlichen Denkmälern (lange Zeit ein diffuser, zahlenmäßig nur durch Schätzungen der ungefähren Größenordnung zu erfassender Bestand) wurde mittlerweile eine Klärung erreicht, da man diesen Bestand bis 2010 durch Verordnungen zu definieren hatte: Bei jenen öffentlichen Objekten, bei denen tatsächlich eine individuelle Denkmalbedeutung angenommen wurde, ist diese Vermutung nun festgeschrieben und im Grundbuch eingetragen. Bei den privaten Objekten ist nur insofern eine Veränderung eingetreten, als infolge einer rezenten Verfassungsänderung nicht mehr das zuständige Ministerium (lange Zeit war das das Bundesministerium für Bildung Unterricht Kunst und Kultur, heute das Bundeskanzleramt), sondern das neu geschaffene Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Unterschutzstellungsbescheide des Bundesdenkmalamts entscheidet.
WAS WIRD UNTER SCHUTZ GESTELLT
Es versteht sich von selbst, dass diese Verfahren nach dem Denkmalschutzgesetz wegen der angesprochenen „Doppelnatur“ der Denkmäler nicht leicht zu führen sind. Ob ein Objekt über die entsprechende geschichtliche künstlerische oder kulturelle Bedeutung verfügt, die ein öffentliches Interesse an der Erhaltung rechtfertigt, lässt sich nicht durch eine naturwissenschaftliche oder auf ökonomischen Daten beruhende Beweisführung feststellen. Welcher ideelle Wert einem Denkmal zugemessen wird, hängt letztlich von der Gesellschaft ab und ist damit auch einem entsprechenden Wandel unterworfen. Daran hat auch der Versuch, durch eine im Zuge der Novellierung des Denkmalschutzgesetzes im Jahre 1999 vorgenommene Formulierung von zusätzlichen Kriterien mehr Klarheit für die Feststellung des „öffentliche Interesses“ zu schaffen, nicht viel geändert. Dieses läge vor, wenn es sich bei dem unter Schutz zu stellenden Objekt aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelte, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtheit hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich wäre auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann. Auch diese Definition erlaubt keine eindeutige Auswahl von erhaltenswürdigen Objekten gibt aber doch in gewisser Weise eine Richtung vor. Für Unterschutzstellung in Frage kommen also einerseits geschichtliche, künstlerische oder kulturell bedeutsame Objekte, die eine gewisse geschichtliche Entwicklung dokumentieren, wobei der Maßstab auch ein regionaler sein kann.
SONDERFALL WELTKULTURERBE, SONDERFALL WIENER INNENSTADT
Einen Sonderfall stellt das bauliche Erbe innerhalb von Gebieten dar, die nach der UNESCO Welterbekonvention auf Antrag der Republik Österreich in die entsprechende Liste eingetragen wurden; dazu gehören Einzelobjekte, wie Schloss Schönbrunn aber auch Ensembles wie die Wiener Innenstadt oder Kerngebiete von Graz und Salzburg, oder ganze Kulturlandschaften wie die Wachau oder die Region Hallstatt-Dachstein-Salzkammergut. Für diese Gebiete ist Österreich die Verpflichtung eingegangen, alle zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen um einen bestmöglichen Schutz dieses Erbes zu gewährleisten.
In der Praxis hat sich gezeigt, dass ein Ortsbildschutz nicht ausreicht, um einen dem Anspruch des Weltkulturerbes in jeder Hinsicht entsprechenden Substanzschutz zu gewährleisten. In Wien wurden daher in den letzten Jahren verstärkt Bauwerke der Innenstadt durch das Denkmalschutzgesetz des Bundes unter Schutz gestellt. In einem Bereich wie beispielsweise der Wiener City, wo der Druck auf Veränderung und Vermehrung der nutzbaren Kubatur besonders groß ist, gibt es selbstverständlich aber auch entsprechenden Widerstand gegen Unterschutzstellungen. Der wichtigste Weg bestünde hier sicher darin, den Denkmalschutz durch eine spürbare steuerliche Besserstellung der Eigentümer attraktiver zu machen. Wenn dieser Eigentümer im Sinne des Denkmalschutzgesetzes in sein Objekt investiert, dann erbringt er eine Leistung für die Öffentlichkeit; eine Leistung, die bereits im vorhinein offiziell bestätigt ist: im Zuge des Unterschutzstellungsverfahrens hat man ja schon festgestellt, dass „die Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist“. Die bisherige Regelung einer vorzeitigen Abschreibung von Investitionen, gilt ausschließlich für betrieblich genützte Objekte und reicht durchaus nicht aus, um die Nachteile der Eigentumseinschränkung zu kompensieren. Hier wäre die Politik gefordert, Lösungen zu suchen. Das kulturelle Erbe ist für dieses Land eine extrem wichtige Ressource. Die für seine Erhaltung in erster Linie geforderten Eigentümer sollten gefördert und nicht vergrämt werden.
1 Man definierte sie als Objekte von „geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung“
2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz

Zur Person
Dr. Andreas Lehne: Kunsthistoriker und seit 1977 im Bundesdenkmalamt tätig. Lehrtätigkeit an der TU Wien und der Universität für angewandte Kunst, Autor zahlreicher Publikationen zur Kunst und Architektur des 19. und 20. Jahrunderts.
Foto Majolikahaus: Copyright Friedrich Böhringer, CC BY-SA 3.0 at
