250 Jahre Wiener Prater
Gastbeitrag von Mag. Walter Senk
Jagdgebiet, Vergnügungspark, Hightech-Standort, Problemviertel, Anziehungspunkt. Der Prater war schon vieles in seiner langen Geschichte – und hat seine Umgebung damit stark beeinflusst.
Beitrag von Frühjahr 2016
Heuer feiern wir den 250. Geburtstag des Praters, was darauf beruht, dass er im Jahr 1766 für die Wiener und Wienerinnen zugänglich gemacht wurde. Seine Geschichte aber reicht noch viel weiter zurück. Im Jahre 1162 wurde der Wiener Prater als „Pratter“ zum ersten Mal urkundlich als kaiserliches Jagdrevier erwähnt, eine weitere urkundliche Erwähnung ist im Jahr 1403 zu finden.
JAGDGEBIET
Ab dem Jahr 1560 bemühte sich Erzherzog Maximilian – der ab 1564 Kaiser Maximilian II. war –, viele der Gründe in dem Areal zu erwerben. Nachdem ihm das gelungen war, machte er das gesamte Gebiet zu einem exklusiven Jagdrevier für die Habsburger. Zwei Jahrhunderte lang war ausschließlich den Monarchen der Zutritt zu dem sechs Quadratkilometer großen Areal erlaubt, später auch den Adeligen. Gejagt wurden vor allem Schnepfen, Dachse, Füchse, Wölfe, Wildschweine, Braunbären und Hirsche.

VERGNÜGUNGSPARK
Als Mitregent Maria Theresias öffnete Joseph II. das eingezäunte Gebiet vor 250 Jahren für die Bevölkerung und „schenkte“ es den Wienerinnen und Wienern als Erholungsgebiet. In weiterer Folge setzte der Regent auch die ersten Schritte zur Entwicklung des Praters. Er genehmigte Gastwirten, Kaffeesiedern und Lebzeltern ihre Zelte im Prater aufzustellen, Schaukeln, Ringelspiele und Kegelbahnen folgten. Zusätzlich fanden Feste und Veranstaltungen statt in deren Rahmen man Schaustellbuden errichtete, die oft nicht wieder abgebaut wurden, sondern fix auf dem Gelände verblieben. Es dauerte nicht lange bis am Rande des einstigen Jagdreviers der Vorläufer des heutigen Wurstelpraters entstand.

HIGH-TECH STANDORT
Mit der Entwicklung der Technik und der Elektrizität wurde das Unterhaltungsangebot im Prater immer mannigfaltiger. Auch viele Schausteller und Techniker aus allen Teilen der österreichisch-ungarischen Monarchie, aber auch aus dem übrigen Europa, verwirklichten im illustren Wiener Vergnügungspark ihre Ideen. Im Prater wurden im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Attraktionen gebaut: Im Rahmen der Weltausstellung 1873 in Wien die „Rotunde“ – damals der größte Kuppelbau der Welt mit einem Durchmesser von 108 Metern und einer Höhe von 85 Metern; 1895 der erste Themenpark „Venedig in Wien“ mit Lagunen, Seufzerbrücke, Dogenpalast, Gondeln und Gondolieri; 1897 das Riesenrad zur Feier des 50. Thronjubiläums Kaiser Franz Josephs I.
AUSHÄNGESCHILD NORDBAHNHOF
Was dem Prater einen gewaltigen Schub verpasste, war die Errichtung des angrenzenden Nordbahnhofs, denn damit war der Prater aus weiten Teilen der damaligen Monarchie mit dem Zug zu erreichen. Zunächst plante man 1835 in Österreich eine Eisenbahnverbindung von Galizien, Schlesien, Mähren nach Wien und über Ungarn auch nach Triest – in erster Linie für den Güterverkehr. Rund 60 Jahre später, im Jahre 1898, erreichte der Frachtenbahnhof seine größte Ausdehnung und wurde der Kohlenbahnhof von Wien sowie ein wichtiger Personenbahnhof. In diesem Umfeld wuchs der Prater immer weiter und wurde letztlich zum größten Ver- gnügungspark Europas.
SPORTSTÄTTE
Nachdem vier Jahre lang Trabrennen auf der Hauptallee abgehalten worden waren, konnte man ab 1878 den Pferderennen auf der Trabrennbahn Krieau hinter dem Prater beiwohnen, ab 1882 auf eigens dafür errichteten Tribünen. Nach langer Standortdebatte – einer typischen Wiener Polit-Tradition – wurde in unmittelbarer Nähe im November 1928 der Grundstein für das heutige Ernst-Happel-Stadion gelegt. 1931 war es fertiggestellt, und im selben Jahr eröffnete auch das Stadionbad.
PROBLEMVIERTEL
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Prater ab 1945 auf Privatinitiativen wieder aufgebaut, die verwüstete Praterlandschaft wurde durch das Stadtgartenamt aufgeforstet. So sehr man bemüht war, den Wiener Prater als Attraktion zu erhalten, so wenig kümmerte man sich vorerst um das Umfeld. Der zweite Bezirk in der Praterumgebung galt lange als „worst part of the town“.
ENTWICKLUNG DES NORDBAHNHOFES
In den 1980er-Jahren aber kam Bewegung in die Umgebung und es erfolgte die schrittweise Umnutzung des zentral gelegenen Nordbahnhof-Areals. 1994 wurde ein städtebauliches Leitbild für die Bebauung des Nordbahnhofs im Gemeinderat beschlossen. Kurz danach begannen auch die ersten Bauarbeiten entlang der Lassallestraße und zogen sich immer weiter in das ehemalige Bahnhofsgelände hinein.
ANZIEHUNGSPUNKT
Mit dem Beginn der Entwicklung dieses Stadtquartieres, das erst 2027 endgültig fertiggestellt sein wird, rückte auch das Umfeld des Praters wieder verstärkt in den Fokus.Dann ging es Schlag auf Schlag.Der Praterstern, der immer schon ein Drehkreuz für den Nahverkehr war, wurde umfassend modernisiert und verlor damit seinen „Schrecken“. Nach der U1, die den Praterstern direkt an die Innenstadt anband, folgte die U2, die vom Karlsplatz bis in die neue Seestadt Aspern reicht, sich entlang des Praters zieht und auch die Messe Wien dahinter einbindet. Mit der Restrukturierung der Messe Wien Anfang 2000 und der Entwicklung des Viertel Zwei ab 2006 erfolgte auf der „Rückseite“ des Praters eine adäquate Bebauung.
Im Oktober 2013 wurde schließlich hinter dem Prater der neue WU-Campus eröffnet, und derzeit wird das Viertel Zwei zu einem lebenswerten Stadtquartier erweitert. Rundum werden weitere Wohnbauten errichtet. Der Prater ist – nach einer wechselvollen Geschichte – nicht nur für die umliegende Gegend, sondern für ganz Wien wieder das geworden, was er war: ein Anziehungspunkt für Erholungssuchende.

DER PRATER UND DAS STUWERVIERTEL
Zwischen Praterstraße, Handelskai, Engerthstraße und Ausstellungsstraße gelegen, gleicht das Stuwerviertel von der Anlage den Wiener Nobelvierteln. Aus gutem Grund, wenn man die Historie betrachtet: 1873 bekam die Donauregulierungskommission Bauland, das durch die Trockenlegung entstanden war und privat verkauft wurde. Das ist auch der Grund, weshalb sich dort hauptsächlich Immobilien aus der Hoch- und Spätgründerzeit befinden.
Zwei Jahre nach der Wiener Weltausstellung wurde das Gelände neben dem Prater erschlossen. Die ersten Häuser entstanden in den 1880er-Jahren entlang der Ausstellungsstraße. Anfang des 20. Jahrhunderts war bereits ein großer Teil des Stuwerviertels verbaut.
Die Blütezeit war aber nur von kurzer Dauer, was vielleicht auch ein Grund war warum dieses Viertel danach so lange unbedacht blieb. Durch die Nähe zum Prater kam ab dem Anfang des 19. Jahrhunderts die Prostitution immer stärker ins Viertel und die einst so mondäne Wohngegend wurde ein Rotlichtviertel, das nicht nur eines der größten Wiens war, sondern sich auch 100 Jahre lang hielt. Erst mit der Umgestaltung des Nordbahnhofes rückte das Stuwerviertel wieder in die Stadtplanung und ist heute eine gefragte Wohngegend.


Zur Person
Walter Senk ist unabhängiger Journalist mit dem Schwerpunkt „Immobilien“ und schreibt für zahlreiche Medien. Außerdem konzipiert er Magazine und entwickelt und betreut Kundenzeitschriften für diverse Unternehmen. Mit seiner Webseite www.immobilien-redaktion.at bringt er die breite und umfassende Welt der Immobilien auf interessante Weise näher.
