Das historische Wien - 3. Bezirk
Auf der „Landstraße“
Auf unserem historischen Spaziergang durch Wien machen wir auch im 3. Wiener Gemeindebezirk Halt. Die „Landstraße“ – so die offizielle Bezeichnung – war früher eine eigene Gemeinde, 1850 kam sie zusammen mit den Ortschaften Weißgerber und Erdberg als neuer Bezirk zu Wien.
Beitrag von Herbst 2013
Wie auch in vielen anderen Bezirken haben sich hier alte Ortsstrukturen erhalten. So sprechen die Alteingesessenen auch heute noch vom „Fasanviertel“ oder von „Sankt Marx“ (das in unseren Tagen einen Bau-Boom sondergleichen erlebt). Oder vom Grätzel in der Nachbarschaft der barocken Rochuskirche, das vom Rochusmarkt geprägt wird. Der hieß früher übrigens Augustinermarkt und stand auf dem Gelände des ehemaligen Nikolai- Friedhofes, der 1784 aufgelassen und verlegt wurde.
Dass der Bezirk heute nicht nur viele ausländische Botschaften beherbergt, sondern auch als beliebtes Wohngebiet gehobenen Mittelstands gilt, verdankt er dem Adel vergangener Zeiten. Das prachtvollste Palais ist zweifellos das Sommerschloss des Prinzen Eugen, das „Belvedere“, 1723 fertiggestellt. In seinen prächtigen Parkanlagen jubelten die Österreicher am 15. Mai 1955 über den Abschluss des Staatsvertrages mit den vier Siegermächten des 2. Weltkriegs, der Österreich in die volle Freiheit und Souveränität entließ.
Nur unwesentlich jünger sind Palais und Park der Fürsten Schwarzenberg entlang der Prinz-Eugen-Straße. Davor weitet sich die Gegend hin zum Ring – der Schwarzenbergplatz. Nach dem Krieg, bis 1955, hieß der Platz „Stalinplatz“, was den alten Fürsten Schwarzenberg zu dem grimmigen Scherz veranlasste: „Ich geh’ jetzt nach Haus, über den nach mir benannten Stalinplatz.“ Das elegante Schlösschen soll übrigens jetzt in ein Hotel der Top-Kategorie umgebaut werden.
Kunst und Kultur haben hier seit vielen Epochen ihre Heimat. Das Konzerthaus, die Musikhochschule, das Akademietheater zeugen ebenso davon wie das großzügige Hauptgebäude der Technischen Universität. Aber da wären wir schon im 4. Bezirk. Wer die einmalige Kunst Otto Wagners in ihrer Vollendung sehen will, der muss nur die U4 in der Station „Stadtpark“ verlassen und befindet sich inmitten eines Wunderwerks der „Gründerzeit“ – im Originalzustand.
Jüngeren Datums sind die vielen Gemeindebauten des 3. Bezirks. Nach dem 1. Weltkrieg entstanden hier 60.000 Sozial-Wohnungen, etwa im 1929 errichteten „Rabenhof“, ein Beispiel für sparsamen Art Déco-Stil.
Jenseits des Landstraßer Gürtels, wo sich jetzt noch eine öde Sandwüste ausbreitet, wird rund um den neuen Zentralbahnhof schon bald ein ganz neues Stadtviertel entstehen, das Büros und Wohnungen, Infrastruktur und Lebensqualität bieten soll. Apropos Verkehr: Auch über dem Schienenknotenpunkt „Wien Mitte“ ragt seit wenigen Monaten ein neues, bemerkenswertes Hochhaus in die Höhe. Damit ist – so bleibt zu hoffen – eine wenig attraktive Gegend dieses Bezirks wesentlich aufgewertet.
Sonst freilich – das muss man zugeben – hat der Bezirk (noch) wenig an Sehenswürdigkeiten aufzuweisen. Doch halt! Da ist noch – hinter dem Schweizergarten – ein merkwürdiges, jedoch riesiges Gebäude aus Backsteinen, festungsartig wie eine alte Ritterburg: Das Arsenal, einst Zeughaus für die kaiserliche Armee, 1856 als Folge der bürgerlichen Studentenrevolte von 1848 errichtet als stete Drohung und Mahnung für die „Untertanen“, sich nie mehr gegen das habsburgische „Erzhaus“ zu versündigen. Zugleich baute man in den Komplex ein prächtiges Heeresmuseum, das Glanz und Gloria der kaiserlichen Truppen verkünden sollte.
Die Armee ist mit der Monarchie untergegangen, die Bewaffnung kann man aber im immer noch bestehenden „Heeresgeschichtlichen Museum“ studieren, das als einziges Bundesmuseum dem Verteidigungsministerium untersteht.
Geheimtipp
In der Nottendorfer Gasse Nr. 2 schlummern papierene Schätze, von denen jeder Geschichtsinteressierte nur zu träumen wagt. Hier ist seit den Achtzigerjahren das neue Staatsarchiv, einer der wichtigsten „Gedächtnisspeicher“ Europas. Alle Dokumente der Republik, alle Unterlagen des Kriegsarchivs, werden hier nicht nur gelagert, sondern auch erforscht und publiziert. Kleine Sonderausstellungen sind immer sehenswert, das Archiv kann gegen Voranmeldung besichtigt werden. Die Beamten sind äußerst freundlich und hilfsbereit.
3., Landstraße
Fläche in ha1: 739,77
Einwohner2: 85.508
Bevölkerungsdichte3: 11.559
Bevölkerungsentwicklung4: - 0,24%
Gebäude5: 3.952
Zinshäuser6: 1.063
Zinshausdichte7: 27 %
1 Quelle: Stadt Wien (MA 41), Flächen der Gemeindebezirke 2012 (Stand 1.9.2012)
2 Quelle: Statistik Austria, Wohnbevölkerung zu Quartalsbeginn 2013
3 Quelle: eigene Berechnung, EW/km²
4 Quelle: eigene Berechnung, Vergleich zum Jahr 2012
5 Quelle: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2001
6 Quelle: Kulturgüterkataster der Stadt Wien (MA 19), eigene Erhebungen, Grundbuch (B-Blätter)
7 Quelle: eigene Berechnung, Gebäudebestand / Zinshäuser, gerundet

Der Autor
Prof. Hans Werner Scheidl: Jahrgang 1944, arbeitete von 1965 bis 2009 als Redakteur der Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Heute ist der Zeithistoriker und Buchautor freier Journalist.
