Das historische Wien - 12. Bezirk
Hier blüht das berühmte „Meidlinger L“.
Der Bezirk, dem wir uns jetzt zuwenden, ist vom klassischen Arbeitermilieu geprägt: Meidling, der 12. Wiener Gemeindebezirk. Nur drei Palais, dafür umso zahlreichere Gemeindebauten – erbaut freilich von den besten Architekten der Zwischenkriegszeit.
Beitrag von Herbst 2013
Ziegelarbeiter, Färber, Gerber, Wäscherinnen – das war die „Urbevölkerung“ dieses Bezirks, nach der wohl auch das berühmte „Meidlinger L“ benannt ist. Meidling, dazu gehörten einst die Dörfer Gaudenzdorf, Unter- und Ober-Meidling, Hetzendorf und Altmannsdorf, seit 1892 zu einem Bezirk zusammengeschlossen. Meidling hat heute kein wirklich nobles Image, drei kleinere Schlösser können das auch nicht aufwiegen.
Dafür besitzt der Bezirk umso zahlreicher Volkswohnbauten aus der Zeit des „Roten Wien“ der Zwischenkriegszeit. Es waren die Jahre sozialdemokratischer Stadtverwaltung, die Erstaunliches entstehen ließen. Bekannte Architekten verwirklichten hier ihre kühnen Vorstellungen zeitgemäßen Wohnens im 20. Jahrhundert. So sind 13 Gemeinde-Wohnanlagen entstanden. Viele Baukünstler haben sich hier einen Namen gemacht.

Die drei erwähnten Schlösser sind heute selbstverständlich nicht mehr in Privatbesitz, sie dienen mehr oder minder der Allgemeinheit. Hetzendorf, 1694 erbaut, stand zunächst im Eigentum der Fürsten von Liechtenstein. Die kaiserliche Krone übernahm den Besitz, das Thronfolgerpaar Karl und Zita wohnte hier bis 1916, heute ist hier die Modeschule der Stadt Wien zu Hause. Sie hat sich europaweite Strahlkraft in der Modebranche erarbeitet.
Interessanter Zufall, dass die politischen Akademien beider Koalitionsparteien in den zwei weiteren Meidlinger Schlösseln untergebracht sind. In Altmannsdorf am Khleslplatz residiert das „rote“ Renner-Institut, im Springer-Schlössl am Tivoli arbeitet die Politische Akademie der ÖVP. 1890 errichteten Helmer & Fellner dieses Landhaus mit üppiger Innenausstattung. Beide Institutionen werden von der öffentlichen Hand finanziert.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Meidlinger Hauptstraße seit 1994 Fußgängerzone ist. Es war eines der raren Experimente kommunalen Gestaltungswillens, gegen die Skepsis der Kaufleute, der Autofahrer und der Bevölkerung. Heute sind diese Zweifel längst glänzend widerlegt. Die fünftgrößte Einkaufsstraße Wiens wird von den Stadtplanern, Architekten, Bauträgern, sogar von den Soziologen sehr aufmerksam studiert.
Zu ganz anderer Bekanntheit hat es der Begriff „Meidling“ im öffentlichen Verkehrswesen gebracht. Denn der einstige Vorortbahnhof dient seit wenigen Jahren als Ersatz für den abgerissenen Südbahnhof. Diese Dienste wird er noch einige Zeit erfüllen müssen, bis der neue Wiener Hauptbahnhof seinen Vollbetrieb aufgenommen haben wird.
Geheimtipp
Für Meidling gibt es dafür gleich mehrere Adressen. Da ist z. B. das Alt-Wiener Schnapsmuseum in der Wilhelmstraße 19. Es empfiehlt sich, nicht selbst mit dem Auto zu kommen. Wer es lieber künstlerisch und zu gleich kulinarisch hat, dem sei der Innenhof des Schlosses Hetzendorf empfohlen. Hier bietet die Modesammlung des Wien-Museums interessante Einblicke in die Welt der Mode von einst und jetzt, hier kann man aber auch laue Sommerabende bei Speis und Trank genießen.
12., Meidling
Fläche in ha1: 810,08
Einwohner2: 89.616
Bevölkerungsdichte3: 11.063
Bevölkerungsentwicklung4: 0,50%
Gebäude5: 7.275
Zinshäuser6: 759
Zinshausdichte7: 10%
1 Quelle: Stadt Wien (MA 41), Flächen der Gemeindebezirke 2012 (Stand 1.9.2012)
2 Quelle: Statistik Austria, Wohnbevölkerung zu Quartalsbeginn 2013
3 Quelle: eigene Berechnung, EW/km²
4 Quelle: eigene Berechnung, Vergleich zum Jahr 2012
5 Quelle: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2001
6 Quelle: Kulturgüterkataster der Stadt Wien (MA 19), eigene Erhebungen, Grundbuch (B-Blätter)
7 Quelle: eigene Berechnung, Gebäudebestand / Zinshäuser, gerundet

Der Autor
Prof. Hans Werner Scheidl: Jahrgang 1944, arbeitete von 1965 bis 2009 als Redakteur der Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Heute ist der Zeithistoriker und Buchautor freier Journalist.
