Das historische Wien - 13. Bezirk
„Pardon, servus, servus, grüß dich, grüß dich!“
Einen größeren Gegensatz gibt es kaum: Vom „Arbeiterbezirk“ Meidling geht es in unserem historischen Spaziergang über die Grenze nach Hietzing, in den 13. Wiener Gemeindebezirk. Auf das Schloss Schönbrunn und auf den kaiserlichen Hof war einst die gesamte Infrastruktur ausgerichtet. Noch
heute zehrt die Gegend davon.
Beitrag von Herbst 2013
Der Anfang muss mühsam gewesen sein. 1130 wurde die Gegend erstmals urkundlich erwähnt, die ältesten Anwesen befanden sich im Bereich der heutigen Altgasse. Ansonsten: Viehweiden, Weingärten, Äcker, ein Steinbruch. Der sollte noch wichtig werden. Für den Bau des Schlosses Schönbrunn nämlich.
Denn was die Türken zweimal vernichtet hatten, das nahm ab 1683 einen rasanten Aufschwung. Statt der Ruine „Katterburg“ entstand das großartige Sommerschloss beim „schönen Brunnen“. Es hätte noch viel prächtiger werden, Versailles in den Schatten stellen sollen. Doch – wie meistens in Österreich – reichte das Geld der Steuerzahler dafür doch nicht. Trotzdem ist Schönbrunn heute ein Touristen-Fixpunkt ersten Ranges.

Die Nähe des kaiserlichen Hofes war für Hietzing wie ein Lottogewinn. Adelige und Beamte ließen sich hier nieder, um dem Herrscher möglichst nahe zu sein und solcherart die eigene Karriere zu fördern. Aus dem Weinbauerndorf wurde eine höchst noble Adresse. Und eine veritable „Sommerfrische“. Das verlangte auch nach gehobener Unterhaltung, heute würden wir „Eventkultur“ sagen: Dommayer’s Casino war im Biedermeier eine erste Adresse, die „Neue Welt“ zwischen Lainzer Straße und Hietzinger Hauptstraße dito. Apropos: Diese letztere Straße ist nahezu schnurgerade. Des Rätsels Lösung. Als Maria Theresia noch das Sankt Veiter Schloss am heutigen Wolfrathplatz besaß, wurde für die Regentin diese „Schnell-Verbindung“ angelegt.
Aber auch die Armen profitierten vom allgemeinen Aufschwung. Es war Bürgermeister Karl Lueger, der zwischen 1902 und 1904 im Bezirksteil Lainz ein 31 Pavillons umfassendes „Versorgungsheim“ bauen ließ, das heutige „Geriatriezentrum Am Wienerwald“. Ein für damalige Verhältnisse großartiges Werk. Ebenso berühmt wurde die 1932 fertiggestellte „Werkbundsiedlung“, an der sich mehrere zeitgenössische Architekten, u.a. Clemens Holzmeister, Adolf Loos, Margarete Schütte-Lihotzky, einen Namen machten.

Dass in solch einem Bezirk, in dem das Geld zuhause war, ab 1938 die „Arisierer“ besonders eifrig ans Werk gingen, ist traurige Wahrheit. Die Familie Blaimschein Ecke Lainzer Straße / Wenzgasse wurde ebenso enteignet wie der Verleger Gottfried Berman Fischer (S. Fischer Verlag) in der Wattmanngasse 11 und der Textilfabrikant Bernhard Altmann in der Kopfgasse 1 und der Pacassistraße 4. Nur wenige Monate später, im Novemberpogrom, wurde von den Nationalsozialisten die erst 1931 fertig gestellte Hietzinger Synagoge Ecke Eitelbergergasse / Neue-Welt-Gasse durch Brandstiftung zerstört, die Ruine in der Folge abgerissen. Dafür bekam der Bezirk ein anderes „Schmuckstück“: Die SS-Kaserne im Fasangarten hinter dem Schlosspark von Schönbrunn. Heute ist sie nach Maria Theresia benannt und beherbergt u. a. die Garde der Wiener Garnison.
Und ein früher unscheinbarer Hügel hat es während unserer Generation zu ungeahnter Bekanntheit gebracht: Der Küniglberg. Seit Ende der 1960er-Jahre betreibt hier der ORF das von Roland Rainer entworfene und 1975 fertiggestellte ORF-Zentrum, in dem sich zentrale TV-Studios sowie Direktion und Verwaltung der staatlichen Rundfunkanstalt befinden. Wie lange noch, ist angesichts der Sanierungsanforderungen fraglich.
Geheimtipp
Die Gegend rund um den „Hietzinger Platz“: Nicht nur die spätbarocke Pfarrkirche zu besuchen ist lohnend, auch das gleich daneben befindliche Bezirksmuseum empfiehlt sich. Man entspannt sich dann im Café des restaurierten Parkhotels Schönbrunn oder wandert 200 Meter zum Café Dommayer. Der Innenhofgarten dort, abgeschirmt vom Autoverkehr, ist sensationell.
13., Hietzing
Fläche in ha1: 3771,49
Einwohner2: 50.831
Bevölkerungsdichte3: 1.348
Bevölkerungsentwicklung4: -0,36%
Gebäude5: 10.513
Zinshäuser6: 251
Zinshausdichte7: 2%
1 Quelle: Stadt Wien (MA 41), Flächen der Gemeindebezirke 2012 (Stand 1.9.2012)
2 Quelle: Statistik Austria, Wohnbevölkerung zu Quartalsbeginn 2013
3 Quelle: eigene Berechnung, EW/km²
4 Quelle: eigene Berechnung, Vergleich zum Jahr 2012
5 Quelle: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2001
6 Quelle: Kulturgüterkataster der Stadt Wien (MA 19), eigene Erhebungen, Grundbuch (B-Blätter)
7 Quelle: eigene Berechnung, Gebäudebestand / Zinshäuser, gerundet

Der Autor
Prof. Hans Werner Scheidl: Jahrgang 1944, arbeitete von 1965 bis 2009 als Redakteur der Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Heute ist der Zeithistoriker und Buchautor freier Journalist.
