Das historische Wien - 17. Bezirk
Arbeiterbezirk und Ausflugsziel
Wandern wir weiter über die Bezirksgrenze, so befinden wir uns in Hernals, im „17. Hieb“ von Wien. Dornbach und Neuwaldegg, zwei teure, weil bevorzugte Wohngegenden, gehören dazu. Ähnlich wie in Ottakring ist der Südwesten stark verbaut, er hat auch dieselbe Sozialgeschichte wie der Nachbarbezirk.
Beitrag vom Herbst 2013
Bevor Hernals (einst „Herrn-Als“) 1892 zu Wien kam, war es eine eigenständige Gemeinde, und zwar die bevölkerungsreichste in Niederösterreich. 74.000 Menschen drängten sich hier zusammen, was zu den bekannten sozialen und hygienischen Zuständen führte, die Wien damals prägten. Interessant ist dabei, dass der kommunale Wohnbau hier dennoch unterrepräsentiert blieb. Warum, weiß man nicht. Zwar errichtete der bekannte Architekt Karl Ehn 1922 in der Balderichgasse den ersten Wiener Gemeindebau, und 1928 kam in der Wattgasse ein noch größerer hinzu, aber mit 1.467 Wohnungen blieb Hernals weit unter dem Wiener Durchschnitt.
Kaum jemand würde auf den ersten Blick Hernals mit Parks, Wäldern und Wiesen assoziieren. Dennoch ist es so. Hernals beherbergt den ältesten Landschaftsgarten Österreichs, den Schwarzenbergpark, der direkt in den Wienerwald übergeht. Dazu kommen der Lidlpark und der Park, der nach dem Dichter Lernet-Holenia benannt ist. Und dann erst der Hanslteich, ein beliebtes Ziel für Spaziergänger und Ausflügler! Der Teich wurde ca. 1920 zur Eisgewinnung angelegt. Er wird vom Alserbach gespeist und ist von Wald und Wiese umgeben, frei zugänglich und wird zum Bootfahren und Eisstockschießen genutzt.
Zurück zu den Bauten. Wer würde etwa am Elterleinplatz Nr. 2 ein hübsches Baujuwel erahnen? Der Festsaal des Palais Rothschild befindet sich im zweiten Stock der ehemaligen k.k. Offizierstöchter-Erziehungsanstalt. Das Interieur des Festsaals mit unregelmäßigem Grundriss wurde 1882 geschaffen und stammte aus dem Palais von Baron Alfons Rothschild in der Theresianumgasse.
In der Andergasse 8 wieder steht die sogenannte Bärenvilla. Sie diente dem Stadtbaumeister Friedrich Schmidt als Refugium und als Atelier. Das im Kern hakenförmige Weinhauerhaus aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts wurde mehrfach umgebaut und vergrößert. Die Terrasse mit Torturm wurde 1879 errichtet.
In der Hernalser Hauptstraße finden wir hervorragende Beispiele von privaten Gründerzeithäusern. Bekannt ist etwa auf der Höhe der Nummer 116 das späthistoristische Zins- und Geschäftshaus, das zwischen 1901 und 1902 in altdeutscher Form erbaut wurde. Es besitzt eine asymmetrische, reiche Fassadengliederung, Erdgeschoß-Arkaden, ein gotisierendes Reliefdekor und die Konsolfigur eines Landsknechts.
Auch das Jörgerbad zählt zu den Sehenswürdigkeiten. Es wurde 1912 in nur zwei Jahren als erstes städtisches Hallenbad erbaut und hieß zunächst Franz-Josephs-Bad. Nicht weit entfernt steht die Kalvarienberg-Kirche, die heute noch die Tradition des alljährlichen Kirtags weiterführt. Die „Vorortelinie“ wurde 1898 eröffnet und war ursprünglich ein Teil der Wiener Stadtbahn. So wie diese wurde sie nach Plänen von Otto Wagner gebaut. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie jedoch nicht als Teil der Elektrischen Stadtbahn in Betrieb genommen, son - dern hauptsächlich für den Güterverkehr eingesetzt. Erst 1987 wurde sie auf Drängen der Bürger als Schnellbahnlinie wieder ein Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Dabei konnten nur drei der ursprünglichen Stationen wieder genutzt werden. In Döbling wird seit langem eine neue Station geplant. Der Bahnhof Wien-Hernals ist ein monumentaler Baublock mit Eckrisaliten und stammt noch original von Wagner. Er steht – prächtig renoviert – unter Denkmalschutz.
Geheimtipp
Die „Güldene Waldschnepfe“ wurde gottlob im letzten Augenblick gerettet. Das Altwiener Gasthaus in der Dornbacherstraße, im 17. Jahrhundert errichtet, war im Biedermeier ein beliebtes Ausflugsziel, auch für Erzherzog Rudolf. Nach dem 2. Weltkrieg war es dem Verfall heimgegeben, heute ist es gerettet. Und sogar dank einem privaten Immobilieninvestor.
17., Hernals
Fläche in ha1: 1139,05
Einwohner2: 53.489
Bevölkerungsdichte3: 4.696
Bevölkerungsentwicklung4: 0,15%
Gebäude5: 6.081
Zinshäuser6: 980
Zinshausdichte7: 16%
1 Quelle: Stadt Wien (MA 41), Flächen der Gemeindebezirke 2012 (Stand 1.9.2012)
2 Quelle: Statistik Austria, Wohnbevölkerung zu Quartalsbeginn 2013
3 Quelle: eigene Berechnung, EW/km²
4 Quelle: eigene Berechnung, Vergleich zum Jahr 2012
5 Quelle: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2001
6 Quelle: Kulturgüterkataster der Stadt Wien (MA 19), eigene Erhebungen, Grundbuch (B-Blätter)
7 Quelle: eigene Berechnung, Gebäudebestand / Zinshäuser, gerundet

Der Autor
Prof. Hans Werner Scheidl: Jahrgang 1944, arbeitete von 1965 bis 2009 als Redakteur der Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Heute ist der Zeithistoriker und Buchautor freier Journalist.
