Das historische Wien - 18. Bezirk
Ein Nobelbezirk wie Hietzing und Döbling
Mit rund 49.000 Einwohnern ist Währing einer von den ganz kleinen Bezirken der Bundeshauptstadt. Im Jahr 1892 wurden dafür 6 ehemalige Vororte zusammengelegt – und so vielfältig präsentiert sich der 18. Bezirk auch heute noch: Auf der einen Seite sogenannter grüner „Nobelbezirk“ mit zahlreichen Villen, anderseits mit dicht verbauten Teilen, wie etwa dem Kreuzgassenviertel.
Beitrag von Herbst 2013
Nach der Innenstadt und neben Döbling und Hietzing ist Währing heute das teuerste Pflaster Wiens. Das liegt an der Stadtrandlage einerseits und an der schnellen Erreichbarkeit der City anderseits. Die Autofahrer und Straßenbahnkunden, die heute der Innenstadt zustreben, folgen immer noch jenem unterirdischen Bachlauf, der beim Pötzleinsdorfer Schloss beginnt und ursprünglich in einem tief eingeschnittenen Tal auf der Linie Pötzleinsdorfer Straße - Gersthofer Straße - Gentzgasse - Aumannplatz und Währinger Straße zum Alsergrund führte. Mehrere sehenswerte Schlösser und bemerkenswerte Bauten zieren den Bezirk. Da sind in Pötzleinsdorf gleich drei Objekte unter Denkmalschutz: Das Geymüllerschlössl, das Schloss Pötzleinsdorf mit seiner ausgedehnten Parkanlage und die alte Ägydiuskirche, einst Hauptpfarrkirche des Weinhauerortes. Weiter unten, stadteinwärts, ist der eigentliche Ortskern von Gersthof, mit drei interessanten Gebäuden. Zunächst die kleine Nepomuk-Kapelle, die der kaiserliche Beamte Lydl von Schwanau 1736 im barocken Stil errichten ließ, um sich den weiten Weg in die Stadt zu ersparen. Bis ins 19. Jahrhundert fungierte sie als Gersthofer Pfarrkirche.
Gleich daneben das barocke Wohnhaus Lydls, das er neben der Kapelle für sich errichten ließ, und auf der Gersthofer Straße 131 ein spätbarockes Wohnhaus, das mit der Umgebung einen fast dörflichen Charakter erahnen lässt.

Zwei große und sehr bekannte Spitäler harren in Währing einer unbekannten Zukunft. Die Semmelweis-Klinik war einst Wiens größte Entbindungsanstalt, ihre Pavillons stehen zum Teil bereits leer, die Lage ist für Investoren höchst interessant. Und auch das Orthopädische Spital in der Wielemansgasse, 1924 für die Wiener Kaufmannschaft errichtet, wird eine neue Bestimmung erhalten. Ein Prachtbau ist die Immobilie allemal. Für Architekturinteressierte ist die Starkfriedgasse fast ein Muss: Hier ist heute die Residenz des israelischen Botschafters, ein moderner kubischer Bau, 1927 nach Plänen von Adolf Loos erbaut. Barock hingegen ist wieder in der Gentzgasse das ehemalige Freihaus, also der Wirtschaftshof, des einstigen Barnabitenklosters St. Michael, das aus dem 16. Jahrhundert stammt. 1983 ist es revitalisiert worden.
In der Kreuzgasse erinnert ein moderner Gemeindebau an die Zeit der Pferdetramway: Im Innenhof befindet sich der denkmalgeschützte ehemalige Straßenbahn-Betriebsbahnhof, der zwischen 1883 und 1902 errichtet und 1999 aufgelassen worden ist. Die noch erhaltenen Stallungen sind das letzte Zeugnis des einstigen Pferdestraßenbahn-Verkehrs in Wien.
Der Währinger Park war früher ein Friedhof, der erste übrigens, der aufgelassen wurde, bereits 1897. Nur ein Teil ist noch geblieben, nämlich der jüdische Teil, der bis zur Bezirksgrenze von Döbling reicht. Heute ist der Friedhof ein kulturhistorisch einmaliger Schauplatz, der freilich seit 1945 einem ständigen Verfall preisgegeben ist. Kein Ruhmesblatt für die Verantwortlichen.
Wir nähern uns dem Kreuzgassenviertel, einem eng verbauten Gebiet mit Zinshäusern und Gemeidebauten. In der Simonygasse 2a steht ein kommunaler Wohnbau, der 1924 nach Plänen des uns bereits bekannten Karl Ehn erbaut wurde. Er ist um den ehemaligen Czartoryski-Park errichtet, der nun seinen Innenhof darstellt. Das Schlössl wurde leider in der Nachkriegszeit abgerissen. Eine Bausünde, die man heute nicht mehr riskieren würde. Bis zum Gürtel erstrecken sich dann kleinere und größere Gassen und Straßen, viele von historischen Gründerzeithäusern geprägt.
Geheimtipp
Klingt makaber, ist aber kulturhistorisch höchst lohnend: Der alte Währinger Ortsfriedhof, ein spätbarocker Gottesacker, seit 1925 aufgelassen und in den heutigen Schubertpark umgestaltet. Hier finden sich noch die Grabdenkmäler von Beethoven, Schubert, Grillparzer und Nestroy, wenngleich ihre Überreste später andere letzte Ruhestätten gefunden haben.
18., Währung
Fläche in ha1: 634,78
Einwohner2: 48.162
Bevölkerungsdichte3: 7.587
Bevölkerungsentwicklung4: 0,03%
Gebäude5: 4.707
Zinshäuser6: 1.026
Zinshausdichte7: 22%
1 Quelle: Stadt Wien (MA 41), Flächen der Gemeindebezirke 2012 (Stand 1.9.2012)
2 Quelle: Statistik Austria, Wohnbevölkerung zu Quartalsbeginn 2013
3 Quelle: eigene Berechnung, EW/km²
4 Quelle: eigene Berechnung, Vergleich zum Jahr 2012
5 Quelle: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2001
6 Quelle: Kulturgüterkataster der Stadt Wien (MA 19), eigene Erhebungen, Grundbuch (B-Blätter)
7 Quelle: eigene Berechnung, Gebäudebestand / Zinshäuser, gerundet

Der Autor
Prof. Hans Werner Scheidl: Jahrgang 1944, arbeitete von 1965 bis 2009 als Redakteur der Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Heute ist der Zeithistoriker und Buchautor freier Journalist.
