Das historische Wien - 21. Bezirk
Man nennt es "Transdanubien"
Warum der 21. Bezirk nicht Stammersdorf heißt, ist unklar. Denn Floridsdorf ist der bei weitem kleinste von sieben Ortsteilen, die einst für diesen Bezirk zusammengelegt wurden. Mancher nennt das Gebiet auch „Transdanubien“, aber das ist natürlich nur aus der hochmütigen Warte der „diesseitigen“ Wiener betrachtet.
Beitrag von Herbst 2013
Lange Zeit konnte die Donau nur mit Fähren überquert werden, erst um 1500 wurde die erste hölzerne Donaubrücke errichtet. Das war an der Stelle der heutigen Floridsdorfer Hauptstraße beim Wasserpark. Über einen weiteren Donauarm führte das sogenannte Kuhbrückl. Der Ort Floridsdorf entstand rund um den „Spitz“, also an der Gabelung der einstigen Hauptstraße nach Böhmen und nach Mähren. Der Propst von Klosterneuburg, Floridus Leeb, gab ihm den Namen.
Die Eingemeindung nach Wien war eine recht komplizierte Sache. Man plante um die Jahrhundertwende den Donau-Oder-Kanal und Floridsdorf sollte einen großen Hafen an der Alten Donau bekommen. Bürgermeister Karl Lueger wollte gern den erhofften Geldsegen in Wien haben und schlug eine Vereinigung mit Floridsdorf vor. Der dortige Landtagsabgeordnete Karl Seitz aber kämpfte dagegen. Er wollte den künftigen Reichtum nicht mit Wien teilen. Später, nach dem Ersten Weltkrieg, sollte Seitz Wiener Bürgermeister werden. Und ein sehr geachteter.
Da war Floridsdorf schon lange bei Wien. 1905 trat das entsprechende Gesetz in Kraft. Und trotzdem bildete die regulierte Donau eine strikte Trennlinie zur übrigen Stadt. Denn die Entfernung war groß: Um jede weitere verheerende Flut zu bannen, war der Fluss auf der Floridsdorfer Seite von einem breiten Grünstreifen gesäumt, dem sogenannten Inundationsgebiet, also dem Überschwemmungsgebiet. Große Kommunalwohnbauten förderten zwar den raschen Aufschwung des Bezirks, aber die Verkehrsverbindungen waren mühsam und blieben es bis lange nach dem 2. Weltkrieg.
Der Grund war auch ein politischer: Von 1945 bis 1955 stand Österreich unter Besetzung und Aufsicht der vier alliierten Siegermächte. Wien, das Herz des Landes, war „viergeteilt“: Und Floridsdorf gehörte zur Sowjetzone. Man hütete sich, dorthin freiwillig zu gehen. „Drüber der Donau beginnt Sibirien“, sagte man uns als Kinder.

Erst der Bau der Donauinsel, der das Überschwemmungsgebiet unnötig machte, rückte den Bezirksteil näher an Wien heran, und durch die U-Bahn ist Floridsdorf seit 1996 in wenigen Minuten erreichbar.
In der Nachkriegszeit – erster Wiener Bürgermeister war übrigens der Floridsdorfer Franz Jonas – musste der Wohnungsbedarf möglichst schnell befriedigt werden. Es entstanden zahlreiche Gemeindebauten, der größte ist seit 1966 die Großfeldsiedlung, ein eher misslungenes kommunales Projekt. Die Stadtverwaltung hat daraus aber gelernt: Erst muss die Infrastruktur perfekt sein, dann erst können dort Familien angesiedelt werden.
Nur ganz wenige Objekte sind älteren Datums, die großen kommunalen Wohnblöcke überwiegen. Aber da gibt es die Wallfahrtskirche Maria Loretto, eine spätbarock-josephinische Saalkirche aus 1713, ein Beethoven-Gedenkhaus, das ein gräfliches Landgut in der heutigen Jeneweingasse war. Der „Neubau“ präsentiert sich seitdem unverändert. Sehenswert auch: Die Stammersdorfer Pfarrkirche.
Ansonsten freilich bietet der Bezirk dem Interessierten eine Vielzahl von Gemeindebauten, die von den bedeutendsten Wiener Architekten geplant wurden. Der Schlingerhof in der Brünner Straße ist ebenso imposant wie der Paul-Speiser-Hof (Franklinstraße) oder der Bielerhof (Kinzerplatz). All diese Bauten wurden gegen Ende des 20. Jahrhunderts aufwendig restauriert, modernisiert und sind heute fast schon wieder „in“. An privaten Zinshäusern ist der Bezirk – historisch bedingt – relativ arm.

Geheimtipp
Jeder kennt – zumindest dem Namen nach – das „Gänsehäufel“. Aber das „Angelibad“? Das heutige Strandbad wurde 1888 als „Vierkreuzerbad“ von den Eigentümern des noch heute existierenden Strandgasthauses Birner eröffnet, inzwischen hat die Stadt Wien die Liegenschaft übernommen. Eine empfehlenswerte Variante zu den überlaufenen Bädern der Umgebung.
21., Floridsdorf
Fläche in ha1: 4444,33
Einwohner2: 146.516
Bevölkerungsdichte3: 3.297
Bevölkerungsentwicklung4: 1,18%
Gebäude5: 19.069
Zinshäuser6: 390
Zinshausdichte7: 2%
1 Quelle: Stadt Wien (MA 41), Flächen der Gemeindebezirke 2012 (Stand 1.9.2012)
2 Quelle: Statistik Austria, Wohnbevölkerung zu Quartalsbeginn 2013
3 Quelle: eigene Berechnung, EW/km²
4 Quelle: eigene Berechnung, Vergleich zum Jahr 2012
5 Quelle: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2001
6 Quelle: Kulturgüterkataster der Stadt Wien (MA 19), eigene Erhebungen, Grundbuch (B-Blätter)
7 Quelle: eigene Berechnung, Gebäudebestand / Zinshäuser, gerundet

Der Autor
Prof. Hans Werner Scheidl: Jahrgang 1944, arbeitete von 1965 bis 2009 als Redakteur der Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Heute ist der Zeithistoriker und Buchautor freier Journalist.
