Das historische Wien - 5. Bezirk
Margareten
Auf unserem historischen Spaziergang durch Wien machen wir im 5. Wiener Gemeindebezirk Halt: Margareten. Ein eher kleiner Bezirk, ein sogenannter Arbeiterbezirk. Entsprechend hoch ist die Wohnnutzung, Grünflächen sind eher rar. Und doch gibt es hier, etwa mit dem Margaretenhof, einige bemerkenswerte Bauwerke zu bewundern.
Bericht vom Herbst 2013
53.000 Einwohner auf zwei Quadratkilometern – da bleibt kaum Platz für städtisches Grün. Dabei waren die Lebensbedingungen um 1900 noch wesentlich schlechter: damals wohnten hier mehr als 100.000 Menschen. Die durchschnittliche Wohnung war mit Zimmer und Küche denkbar klein.
Heute hat Margareten eine andere Außergewöhnlichkeit zu bieten: Das Grätzel zwischen Hamburgerstraße und der Rechten Wienzeile zählt zur Außenzone des UNESCO- Welterbes „Historisches Zentrum von Wien“. Der Brunnen am Margaretenplatz (errichtet 1836) beherrscht heute das Bezirkszentrum, das von einer mächtigen historischen Wohnhausanlage geprägt ist: Vom Margaretenhof.
In nur zwei Jahren, 1884 und 1885, entstand hier einer der größten Wohnbauten des damaligen Wiens. Die Pläne lieferten in bewährter Weise die Ringstraßenarchitekten Helmer & Fellner. Das waren jene zwei Top-Architekten, die in nahezu maschineller Fertigung Baupläne für die gesamte Donaumonarchie lieferten. Hier schufen die beiden Baukünstler eine Anlage mit detailreicher Fassadengestaltung, mit Zierhöfen und Vorgärten. Sie vereinten die beliebte Cottage-Bauweise mit jener des klassischen Zinshauses. Zu Recht wurde das Ensemble des Margaretenhofes 1984 stilgerecht restauriert.

Das „Rote Wien“ der Zwischenkriegszeit eiferte den Baukünstlern früherer Epochen gerne nach. So entstanden die großen Gemeindebauten wie der „Metzleinstaler-Hof“ oder der „Reumann-Hof“. Nach dem 2. Weltkrieg, als das Gebiet rund um den Südbahnhof einer Ruinenwüste glich, errichtete die Gemeinde 1951 – 1957 den „Theodor-Körner-Hof“ mit dem ersten zwanziggeschossigen Hochhaus Wiens.
Wo gehobelt wird, fliegen Späne. Und wo gebaut wird, sind Sünden fast unvermeidlich. Was sich 1965 in der Wiedner Hauptstraße abspielte, wäre heute wohl undenkbar. Weil die alte Matzleinsdorfer Pfarrkirche „zum Hl. Florian“ aus dem Jahr 1725 dem vierspurigen Autoverkehr im Wege stand, wurde sie gegen heftigen Bürgerprotest abgerissen. Die Verantwortlichen haben wahrscheinlich längst um Absolution gebeten (und gebetet)...
Aber auch abseits der Bauten atmet der Bezirk Geschichte. Hier befand sich die Wiege zweier Sozialreformer, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können: Da war einmal Karl Freiherr von Vogelsang, der Vordenker der österreichischen katholischen Sozialpolitik. Hier wuchs aber auch der Großbürgersohn Bruno Kreisky auf, der später Außenminister, Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender werden sollte. Da der Bezirk aber als „proletarisch“ galt, behauptete Kreisky später, er sei „ein Wiedener“.
Geheimtipp
An der Rechten Wienzeile ist auf Nummer 97 das markante Gebäude des einstigen „Vorwärts“-Verlagshauses nicht zu übersehen. Das 1910 errichtete, teils denkmalgeschützte Gebäude stammt von den Otto-Wagner- Schülern Hubert und Franz Gessner. Viele Jahrzehnte diente es als Hauptquartier der Sozialdemokratie, als das Verlagshaus samt Druckerei und Redaktion der „Arbeiter-Zeitung“. Heute befindet sich hier u. a. das „Bruno-Kreisky-Archiv“, ein Besuch lohnt sich nicht nur für Nostalgiker.
5., Margareten
Fläche in ha1: 201,16
Einwohner2: 53.071
Bevölkerungsdichte3: 26.382
Bevölkerungsentwicklung4: -0,06%
Gebäude5: 2.183
Zinshäuser6: 677
Zinshausdichte7: 31%
1 Quelle: Stadt Wien (MA 41), Flächen der Gemeindebezirke 2012 (Stand 1.9.2012)
2 Quelle: Statistik Austria, Wohnbevölkerung zu Quartalsbeginn 2013
3 Quelle: eigene Berechnung, EW/km²
4 Quelle: eigene Berechnung, Vergleich zum Jahr 2012
5 Quelle: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2001
6 Quelle: Kulturgüterkataster der Stadt Wien (MA 19), eigene Erhebungen, Grundbuch (B-Blätter)
7 Quelle: eigene Berechnung, Gebäudebestand / Zinshäuser, gerundet

Der Autor
Prof. Hans Werner Scheidl: Jahrgang 1944, arbeitete von 1965 bis 2009 als Redakteur der Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Heute ist der Zeithistoriker und Buchautor freier Journalist.
