Das historische Wien - 7. Bezirk
"Am" Neubau
Man wohnt im 7. Bezirk nicht „in Neubau“, sondern „am Neubau“. Wie der Name schon sagt, die Zusammenfassung mehrerer traditionsreicher Siedlungen, die immer ihr Eigenleben pflegten. Mit dem kleinen Abstecher ins Museumsquartier (siehe das vorige Bezirksportrait) haben wir uns langsam aus Mariahilf in den 7. Bezirk begeben.
Beitrag von Herbst 2013
Es ist ein überraschend junges Publikum, das im Laufe der letzten Jahre von dem innerstädtischen Bezirk Besitz ergriffen und ihn mit viel Lebensqualität ausgestattet hat. Schottenfeld, Laimgrube, Teile von Altlerchenfeld, Neubau, Sankt Ulrich, Spittelberg und Museumsquartier – so heißen die durchaus unterschiedlichen Bezirksteile, die wir durchwandern. Das 20. Jahrhundert hat gezeigt, wie sogar aus einst verrufenen Gegenden, die schon halb dem Verfall preisgegeben waren, eine „angesagte“ Wohnumgebung geschaffen werden kann. Spittelberg heißt das Stichwort. Hier und rund um die Ulrichskirche befinden wir uns im ältesten Bezirksteil. Im 17. Jahrhundert galt es als Vergnügungsviertel, das ehrbare Bürger mieden. Heute dient es mit den kleinen Lokalen und Schanigärten den Nachtschwärmern. Meiden muss man es heute nicht, im Gegenteil. Kleine, zumeist barocke Wohnhäuser präsentieren sich dem Passanten. Seit 1973 wurde hier die nahezu abbruchreife Bausubstanz liebevoll restauriert.
Ganz in der Nähe gibt es eine besondere Abkürzung zwischen zwei Straßen: Ähnlich wie in Mariahilf bietet auch der „Adlerhof“ ein Durchhaus, das – seit 1874 – die Siebensterngasse mit der Burggasse verbindet. Malerische Stiegen führen durch die Innenhöfe und bieten glänzende Fotomotive für Beobachter, die mit offenen Augen durch die Stadt gehen.
In der Stiftskaserne, die heute auch die Landesverteidigungsakademie beherbergt, wirft der Flak-Bunker seinen Schatten über die umliegenden Gebäude. Dieser monströse Koloss aus Kriegszeiten erweist sich heute als recht komfortabler und vor allem „bombensicherer“ Befehlsstand für das Bundesheer. Gleich nach 1945 zog hier das Kommando der US-Besatzungstruppen ein.
Die Siebensterngasse ist aber auch aus einem anderen Grund bemerkenswert. Hier und in der Neubaugasse etablierte sich nach dem 1. Weltkrieg der österreichische Film. Es gab kaum ein Haus, das nicht mindestens einen Filmagenten, Filmverleiher oder -produzenten beherbergte. Dazu kamen Ausstattungsfirmen, die dem „Filmviertel“ eine ganz spezielle Aura verliehen. 1938 war mit dem „Anschluss“ alles vorbei.

Wenn uns der Weg am Hauptportal der Stiftskaserne in Richtung Mariahilfer Straße führt, dann befinden wir uns bald im Reich der großen Warenhäuser. „Herzmansky“, „Gerngross“, „Stafa“ waren und sind noch zum Teil die großen Namen hier. Aus dem renommierten „Kleiderhaus Esders“ wurde das Möbel- und Einrichtungshaus Leiner, das einst ganz klein mit einem Geschäft in Sankt Pölten begonnen hat.
An imposanten, großen Gebäuden ist der Bezirk eher arm. Neben dem Volkstheater, den Museumsbauten des MQ oder der Neulerchenfelder Kirche ist die neue Hauptbücherei der Stadt Wien am Neubaugürtel bei der Lugner-City erwähnenswert. Optisch herausragend ist das Palais Trautson, Sitz des Justizministeriums und um Steuergeld schön restauriert.
Geheimtipp
In der Neustiftgasse steht die Mechitaristenkirche, die Hauptkirche der armenisch-katholischen Ordensbrüder gleichen Namens. Seit 1810 finden die armenischen Mönche in Wien Schutz. Sie druckten (bis zum Jahr 2000) Bücher in 41 orientalischen Sprachen. Ihre Bibliothek mit 2600 Manuskripten und über 160.000 Büchern zeigen sie gerne her. Auch ihr „Mechitarine“-Likör ist nicht zu verachten.
7., Neubau
Fläche in ha1: 160,51
Einwohner2: 30.309
Bevölkerungsdichte3: 18.883
Bevölkerungsentwicklung4: -0,68%
Gebäude5: 1.908
Zinshäuser6: 725
Zinshausdichte7: 38%
1 Quelle: Stadt Wien (MA 41), Flächen der Gemeindebezirke 2012 (Stand 1.9.2012)
2 Quelle: Statistik Austria, Wohnbevölkerung zu Quartalsbeginn 2013
3 Quelle: eigene Berechnung, EW/km²
4 Quelle: eigene Berechnung, Vergleich zum Jahr 2012
5 Quelle: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2001
6 Quelle: Kulturgüterkataster der Stadt Wien (MA 19), eigene Erhebungen, Grundbuch (B-Blätter)
7 Quelle: eigene Berechnung, Gebäudebestand / Zinshäuser, gerundet

Der Autor
Prof. Hans Werner Scheidl: Jahrgang 1944, arbeitete von 1965 bis 2009 als Redakteur der Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Heute ist der Zeithistoriker und Buchautor freier Journalist.
