Das historische Wien - 8. Bezirk
In der Josefstadt
Ein gemütlicher, ein behäbiger – mit einem Wort, ein gutbürgerlicher Wohnbezirk. Grünflächen sind mehr als rar, aber an sehenswerten Bauwerken ist dieser innerstädtische Bereich opulent ausgestattet. Und er gilt als exzellente Wohngegend. Nicht gerade billig, dafür weiß man, was man hat.
Beitrag von Herbst 2013
Die Josefstadt zu durchwandern, ist eine leichte Übung. Und eine lohnende. Ein Teil gehört heute zum „Welterbe“ mit dem Namen „Historisches Zentrum von Wien“. Und das ist auch einfach zu erklären, weil die Josefstädter Straße nur ein paar Häuserblöcke von der Ringstraße entfernt beginnt. In ihr finden wir viel von dem, was das besondere Flair dieses Wiener „Grätzls“ ausmacht. Wer hier Grünflächen sucht, wird nicht fündig werden: Abgesehen vom Schönbornpark und dem Hamerlingplatz weist der Bezirk kaum Grün auf – dafür aber findet man hier wunderschöne Gründerzeit-Zinshäuser, Altwiener Mietshäuser, zum Teil noch mit lauschigen Innenhöfen und den typischen „Pawlatschen“.

In der Langegasse, die von der „Alten Backstube“ geprägt wird, spielt ein Teil von Ödön von Horvaths beklemmendem Stück „Geschichten aus dem Wiener Wald“. Gleich nach der Langegasse linker Hand findet sich das Geburtshaus eines Nobelpreisträgers des Jahres 1973: Der Entdecker der „Bienensprache“, Karl Frisch, wuchs hier auf. Nur wenige Schritte rechter Hand ein barockes Haus, in dem sich jenes Theater verbirgt, das dem Regie-Genie Max Reinhardt seinen Weltruhm verdankt.
Wandern wir weiter stadtauswärts, sehen wir links das Palais Strozzi, ein hübsches Beispiel barocker Vorstadtarchitektur. Gleich daneben das älteste Haus des Bezirks und daran anschließend die Nr. 43, ein reich gegliedertes Beispiel bürgerlicher Wohnkultur.
Da ist der alte „Strozzigrund“, der bis in die Achtzigerjahre von hektischer Geschäftigkeit erfüllt war: In der ehemaligen „Herold“-Druckanstalt produzierte man während der Zwischenkriegszeit die konservative „Reichspost“, später verließen hier die Lastautos mit der „Presse“ die Strozzigasse. Es ist eine abschüssige Straße, so wie der ganze Bezirk durchaus „bergig“ ist. Das kommt von der Jahrhunderte währenden „Arbeit“ des Alserbachs und des Ottakringer Baches, die heute unter der Lazarettgasse bzw. der Lerchenfelder Straße fließen.
Die Bautätigkeit der Zwischenkriegszeit konnte sich nur auf wenige Baulücken erstrecken. Daher entsprechen hier die vier Wohnbauten der Gemeinde Wien auch nicht dem Schema des großen Wohnhofes. Sie sind dennoch die einzigen Hochbauten aus dieser Zeit im Bezirk. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren wenige Häuser neu zu errichten. So etwa das Adolf-Schärf-Studentenheim, das 1961 auf dem Platz des abgerissenen Stadttheaters gebaut wurde.
Zurück zum schöneren Barock: Die Piaristenkirche „Maria Treu“ birgt Gemälde des Meisters Maulbertsch und prägt einen Platz, der seinesgleichen in der Stadt sucht. Glückliche Jugendliche, die hier zur Schule gehen! Als sehenswertes bauliches Ensemble gilt aber auch die gesamte Lenaugasse, deren Architektur aus dem Vormärz zu Recht unter Schutz gestellt wurde. Es ähnelt dem „Schlosserplatzl“, das direkt hinter dem Wiener Rathaus liegt und eine interessante Oase in der Stadtlandschaft bildet.
Geheimtipp
Das Volkskundemuseum fristet zu Unrecht ein Schattendasein unter den vielen Wiener Museen. Seit 1917 ist es im barocken Palais Schönborn untergebracht. Der einstige Kanzler von Bamberg, Friedrich Karl Schönborn-Buchheim ließ das Haus errichten. Er ist ein Vorfahre des amtierenden Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn.
8., Josefstadt
Fläche in ha1: 108,99
Einwohner2: 23.930
Bevölkerungsdichte3: 21.955
Bevölkerungsentwicklung4: -0,10%
Gebäude5: 1.285
Zinshäuser6: 465
Zinshausdichte7: 36%
1 Quelle: Stadt Wien (MA 41), Flächen der Gemeindebezirke 2012 (Stand 1.9.2012)
2 Quelle: Statistik Austria, Wohnbevölkerung zu Quartalsbeginn 2013
3 Quelle: eigene Berechnung, EW/km²
4 Quelle: eigene Berechnung, Vergleich zum Jahr 2012
5 Quelle: Statistik Austria, Gebäude- und Wohnungszählung 2001
6 Quelle: Kulturgüterkataster der Stadt Wien (MA 19), eigene Erhebungen, Grundbuch (B-Blätter)
7 Quelle: eigene Berechnung, Gebäudebestand / Zinshäuser, gerundet

Der Autor
Prof. Hans Werner Scheidl: Jahrgang 1944, arbeitete von 1965 bis 2009 als Redakteur der Wiener Tageszeitung „Die Presse“. Heute ist der Zeithistoriker und Buchautor freier Journalist.
